VERLASSEN SIE SICH DRAUF! / Das Leipziger Restaurant MÜNSTERS

 

Der erste Text dieses noch jungen Jahres soll einem Restaurant gelten, keinem einzelnen Besuch, keiner Menüfolge. Denn hier im Leipziger MÜNSTERS steht nicht ein Koch im Mittelpunkt oder dessen Kreativität sondern hier geht es um den Gast! Hier ist die gesamte Teamkreativität gefragt, immer zurückhaltend (im positiven Sinne) den Abend steuernd, das Tischgespräch zu fördern, das Miteinander.

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Wachtel und Linsen

Das MÜNSTERS hieß lange Drogerie und war in einer alten ebensolchen beheimatet, man saß eng, aß gut, trank hervorragend. Ohne Reservierung keine Chance. Nun ist der Umzug auch schon so lange vorbei, dass die neue Heimat ebenso ausgebucht und ohne vorherige Reservierung kaum zu besuchen ist. Und das liegt weiterhin an wunderbarem Essen, dass natürlich keineswegs unkreativ wäre (wie man dem vorhergehenden Absatz unterstellen könnte), man trinkt weiterhin exzellent, sitzt aber weniger beengt, so dass die Gespräche noch weitschweifiger verlaufen können.

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Gelbschwanzmakrele und Merguez

Namensgeber, Patron und Gastgeber André Münster scharrt sichtbar eigenständige Menschen um sich, die den Geist dieses Kleinods in Leipzig-Gohlis zu etwas Besonderem machen: da ist zum Beispiel Axel Schumacher, den man für (man verzeihe mir den Ausdruck!) kauzig halten könnte, wahrscheinlich ist eigentümlich das treffendere Wort. Aber warum eigentlich? Weil er einem beim ersten Besuch nicht gleich auf den Schoß klettert? Na zum Glück, möchte man ausrufen. Schumacher – die Weinkarte des Restaurants – verabscheut den Begriff Sommelier, und wahrscheinlich hat er Recht. Selten habe ich jemanden so unaufgeregt, so respektvoll über Weine reden hören, nie verquast, nie verkopft, immer das Bedürfnis des Gastes vorausahnend. Und damit gehört er in die Reihe der wenigen, die Weine als Genuss, ja als Droge betrachten und nicht als Prestigeobjekt. Schumacher ist ein wunderbarer Liebhaber, der nur widerwillig die schriftlich festgehaltene Weinkarte herauskramt. Viel besser, aufregender und überraschender sind seine immer zutreffenden Auswahlen. Verlassen Sie sich drauf!

Der Service von Ulrike „Ulli“ Langner und Michael „Micha“ Oppe ist herzlich, nie verstellt, immer pur, kein Chichi. Der strapazierte Begriff der Authentizität wäre hier wohl angebracht. Die beiden spielen keine Rollen, verkleiden sich sozusagen nicht als Kellner oder sie spielen das so gut, dass es selbst mir nicht auffällt. Im MÜNSTERS scheut man sich nicht, menschlich zu sein. Und dennoch spielen sie sich nicht in den Mittelpunkt, so dass man sich kaum traut, sich selbst das Wasser zu reichen. Hier lauert man den Gästen nicht auf, man lässt ihnen Zeit. Reibungsloser Service wie hier entsteht eben nur durch die Reibung mit dem Gast, die Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen des Gastes… Verlassen Sie sich drauf!

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Reh

Küchenchef Martin Steinert zaubert mit seinen Jungs Marc Kozoc (Vorspeisen, Dessert) und Daniel Frenzel (Beilagen) eine kleine aber geschmackvolle Karte. Alles passt auf eine A4-Seite, drei Vorspeisen, ein Zwischengericht, ein bis zwei Suppen, drei Hauptgerichte, zwei Desserts. Und diese Karte ändert sich so oft, dass man eigentlich auch wöchentlich das MÜNSTERS mit einem Besuch behelligen könnte. Hier stehen die Produkte im Mittelpunkt, keine absonderlichen Kombinationen oder Zubereiterungsarten. Einfache aber aromenintensive Küche. Auch hierauf können Sie sich verlassen.

Und so bleibt das MÜNSTERS meine Leipziger zweite erste Wahl: ins FALCO und ins MÜNSTERS. Glücklich eine Stadt, die solche Restaurants beheimatet. Verlassen Sie sich drauf.

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Dessert

Nachtrag! Erzählt werden soll hier noch diese kleine Geschichte: Der Tester vom Guide Michelin konnte das MÜNSTERS in diesem Jahr nicht mehr in den Bib Gourmand aufnehmen, wenige Cent muss die zulässige Rechnung höher gewesen sein, um budgetbewusste Gourmets nach Leipzig zu locken. Und weise entgegnete der sichtlich Enttäuschte (über die ausbleibende Anerkennung) und dennoch Glückliche (über den herrlichen Abend): „Na für uns machen Sie es ja eh nicht!“ – Welch ein Glück, dass man hier im MÜNSTERS für den Gast und nicht für den Restauranttester kocht!